100 Jahre THG - Schulgründung 1896/97 (Auszüge aus der Festschrift im Schuljahr 1996 / 1997)

Das Theresien-Gymnasium wurde als fünftes Gymnasium nach dem Luitpold-, dem Ludwigs-, dem Maximilians- und dem Wilhelmsgymnasium in den Jahren 1895 bis 1897 errichtet, weil die genannten vier Schulen den Anstieg der Schülerzahlen nicht mehr bewältigen konnten, der durch das Anwachsen der Stadtbevölkerung entstanden war. München zählte bereits 1890 350.000 Einwohner, und das unserer Schule damals nächstgelegene Luitpold-Gymnasium mußte 1.100 Schüler betreuen, "ein einzig dastehender Fall in Deutschland", laut Jahresbericht 1896/97.

Seit dem Tod Ludwigs II. 1886 wurde das Königreich Bayern von Prinzregent Luitpold, dem Onkel des "Märchenkönigs" regiert, weil der König kinderlos gestorben war und sein Bruder Otto, der eigentliche König, wegen geistiger Umnachtung nicht in der Lage war, das Amt des Königs auszuüben. Und wie schon die bereits bestehenden Münchner Gymnasien bekam die Schule ebenfalls den Namen eines Mitglieds des "Herrscherhauses", denselben wie die in unmittelbarer Nähe der Schule gelegene Festwiese.

Das Grundstück, auf dem gebaut wurde, befand sich damals noch "in naturschöner Lage" (Eröffnungsansprache des ersten Rektors Nicklas) am Stadtrand. Der vor der eigentlichen Front des Gebäudes liegende Platz, benannt nach dem einzigen mittelalterlichen Kaiser, den das Haus Wittelsbach hervorgebracht hat (Kaiser Ludwig der Bayer, 1314-1347), wurde erst später stadtplanerisch gestaltet. Im Jahre 1900 ließ der Brauunternehmer Pschorr (derjenige, der das gefilterte helle Bier hat erfinden lassen, das schließlich das hergebrachte naturtrübe fast vollständig verdrängte) das Denkmal dieses Kaisers auf dem Platz vor der Schule aufstellen, zur Ehre des Münchner Handwerks, denn die Münchner Zünfte hatten dem Kaiser geholfen, die "letzte Ritterschlacht" bei Mühldorf gegen seinen habsburgischen Konkurrenten Friedrich den Schönen zu gewinnen, und zum Ärger der Kirche, die dem im Kirchenbann gestorbenen Kaiser erst spät eine Grabstätte in der Liebfrauenkirche einräumte. Seit dem 18. Jahrhundert gehörte die Brauerdynastie "zum Hacker und Pschorr" zu den angesehensten Familien der Stadt, und der Sohn des Königlichen Kommerzienrats August Pschorr besuchte seit 1906 das Königliche Theresien-Gymnasium. Das Schulgebäude und der davor gelegene Kaiser-Ludwig-Platz bilden zusammen ein bemerkenswert schönes städtebauliches Ensemble. Heute aber steht das imposante Reiterdenkmal ziemlich einsam im Mittelpunkt eines der wenigen in den fünfziger und sechziger Jahren nicht verschandelten Plätze Münchens, um den Kaiser und seine zwei gewappneten Begleiter herum tobt der Verkehr, und es bedarf schon eines eigenen Interesses und auch einer gewissen Umsicht, um die Fahrbahn zu überqueren und vom erhöhten Zentrum des Platzes aus die eindrucksvolle Fassade des Schulgebäudes zu betrachten.

Die Eröffnung der Schule erstreckte sich fast über das ganze erste Schuljahr 1896/97:
Am 1. September 1896 nahm auf "Befehl Seiner Königlichen Hoheit des Prinzregenten Luitpold von Bayern" Rektor Johannes Nicklas, Gymnasialprofessor für Deutsch und alte Sprachen, seinen Dienst auf.
Um die Ernennung dieses bewährten Schulmannes hatte es noch Kontroversen zwischen katholischer und evangelischer Presse gegeben, war er doch 1895 zum Münchner Stadtschulrat gewählt worden, hatte dann aber zu Gunsten des nachmals berühmten Georg Kerschensteiner auf diese Stelle verzichtet. Die katholische Zentrumspresse sagte ihm jetzt nach, "Cultusminister v. Landmann habe Herrn Nicklas ein Rectorat versprochen ...", als (Trost-)Pflaster" (Augsburger Postzeitung, 22. April 1896), was wiederum der protestantische "Nürnberger Anzeiger" als "Heuchelei" brandmarkt. Am 18. September 1896 fand die Eröffnungsfeier im Vestibül (Treppenhaus) statt, da die Turn- und Festhalle noch nicht fertiggestellt war. Am selben Tag begann der Unterricht für die 668 Schüler in 17 Klassen.
Am 22. Dezember desselben Jahres wurde die Turn- und Festhalle fertiggestellt. Der von der Außenansicht kapellenähnliche Bau befand sich an der Nordflanke des Gebäudes, wo heute der Sondertrakt steht. Am 11. Mai 1897 besichtigte der Prinzregent die Schule, der dabei "besonderes Interesse" für das von Prof. Rudolf Wimmer angefertigte Ölgemälde seiner Hoheit zeigte. Dieses Gemälde befand sich damals natürlich in der Turn- und Festhalle, heute hängt es - restauriert - an der Wand zwischen Lehrerzimmer und Sekretariat.

Erst am 16. und 17. Mai 1897 fanden nach der Fertigstellung von Hof und Garten die eigentlichen Einweihungsfeierlichkeiten mit einem Festspiel statt, in dem die Vertreter der bereits bestehenden vier Münchner Gymnasien das Theresien-Gymnasium in ihren Kreis aufnahmen.

von Gebhard Harlander