Besuch des Zeitzeugenvortrags von Eva Erben am 24.11.2023 mit den drei neunten Klassen des Theresien-Gymnasiums München im Mathäser
„Mein Mann sagte immer, ich könnte – wenn ich wollte – Saft aus einem Stein pressen. Wenn man am Abgrund des Seins steht, kann man eine nahezu göttliche Kraft entwickeln.“ Zwar glaube sie nicht an einen Gott, aber das Göttliche zeige sich im Menschen. Diese Antwort gab die 93-jährige Eva Erben auf die Frage, wie sie bei all das Grauen der Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz sowie des anschließenden „Todesmarsches“ kurz vor der Befreiung durch die Amerikaner hat überleben können. Neben dieser Willensstärke waren es – wie Eva Erben betonte – Zufälle, die ihr Weiterleben ermöglichten. So wurde sie zum Beispiel völlig entkräftet von einem tschechischen Paar gefunden, nachdem sie bei dem Todesmarsch in einem Kuhstall zum Sterben zurückgelassen wurde und verhalf ihr mit Unterstützung einer Hebamme und viel Milch zu neuen Kräften. Auf dem 750 km langen Weg, den sie lange ohne Schuhe gegangen ist, hatten ihr zuvor nur Schnee und Blätter geholfen, nicht zu verdursten und zu verhungern. Vierzig Jahre hat sie, die sich mit ihrem Mann in Israel ein neues Leben aufbaute, im Anschluss nicht mehr über diese unmenschlichen Erfahrungen gesprochen. Heute ist es Eva Erbens Mission, in Zeitzeugengesprächen das Vermächtnis der sechs Millionen ermordeten Juden lebendig zu halten.
Am 24.11.2023 kam Eva Erben daher ins Mathäser nach München, um im Gespräch mit Marcel Reif, dessen jüdischer Vater selbst den Holocaust überlebte, über 800 Münchner Schülerinnen und Schülern von ihren erschütternden Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus zu berichten und Botschaften für die Zukunft mitzugeben: „Ihr habt eine große Verantwortung – schweigt nicht bei Unrecht, steht auf und bleibt der Wahrheit treu. Ihr seid die Zukunft der Menschlichkeit.“ Ein Anliegen, das in Zeiten von einem Wiedererstarken des Antisemitismus von noch größerer Bedeutung ist. Gezeigt hat sich hier wieder, dass Zeitzeugengespräche – wie es Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, zu Beginn formulierte – ein unersetzliches Bollwerk gegen das Vergessen und ein bedeutsames Werkzeug gegen die Gleichgültigkeit sind.
Florian Worbs