100 Jahre THG - An Therese
Wenn mir verführerische Blicke winken,
Daß ich vom Pfade nicht der Tugend scheide,
Verhinderst du, daß ich auf ihm nicht gleite,
Wenn's in der Schönheit Arme drängt zu sinken.
Der Wollust Küsse dürstet mich zu trinken,
Ein Engel stehest du jedoch zur Seite,
Beschützend gebend sicheres Geleite,
Ob Firmamente gleich von Augen blinken.
So, rettend, führe mich durch's Leben,
Du, Himmliche, vom Himmel mir gesendet,
Und hebend laß mich einst zu ihm entschweben.
Dich sieht mein Geist und nie wird mehr verblendet
Der Blick von Sinnenlust, die nie gegeben
Befriedigung, den Frieden nur entwendet.
Kein Zweifel, hier versucht ein die Regeln des Sonetts leidlich, sich selbst aber kaum beherrschender Schwerenöter seine vielfach gedemütigte Angetraute zu besänftigen und gleichsam zum Schutzengel seiner Escapaden zu vergeistigen. Sehr erfolgreich konnte diese allerdings in der ihr zugedachten Rolle nicht reüssieren, was schon ein Blick auf jene siebenunddreißig Bilder im Nymphenburger Schloß beweist, auf denen der König und Gelegenheitsdichter Ludwig 1. die Schönen seines Bayernlandes wie weiland Jagdtrophäen um sich versammelte.
Wer war jene Therese, die durch ihre erstaunliche Duldsamkeit eine Ehe rettete, aus der immerhin neun Kinder, darunter zwei Könige und ein Prinzregent, hervorgegangen sind, und die nicht nur dadurch und deshalb zur Namensgeberin des Theresien-Gymnasiums werden konnte?
Im 19. Jahrhunden wurden die Ehen der regierenden Fürstenhäuser, die sich so gerne auf Gottes Gnade beriefen, keinesfalls im Himmel gestiftet. Nicht die romantische Liebe, sondern die Staatsraison diktierte in der Regel diese Bündnisse fürs Leben. Ludwigs Vater, Max Joseph, war durch Napoleon zum König erhöht worden, wofür er sich mit seiner Tochter Augusta revanchierte, die 1806 Napoleons Stiefsohn Eugène de Beauharnais ehelichen mußte. Um das Band zwischen Frankreich und Bayern zu verstärken, hatte man auch für den Kronprinzen Ludwig eine französische Prinzessin ausersehen. Dem wollte Ludwig, der in Napoleon nur den Usurpator sah, durch eine eigene Entscheidung zuvorkommen. Außerdem konnte der junge Heiß sporn dem Korsen, der sich gerade von seiner ersten Ehefrau getrennt hatte und in europäischen Adelshäusern nach einer angemessenen Partie Ausschau hielt, ein weiteres Mal in die Quere kommen, wenn es ihm gelang, die siebzehnjährige Therese von Sachsen-Hildburghausen zu heiraten, jene Nichte der preußischen Königin Luise, die auch Napoleon unter vielen anderen als Favoritin vorschwebte. Der Plan glückte, und am 12. Oktober 1810 läuteten in der Hofkapelle der Münchner Residenz die Hochzeitsglocken. Wenige Tage später feierte das Paar zusammen mit den "herbeigeströmte Volkshaufen" das Ereignis. Zu Bier und Weißwein ertönten Musikchöre aus dem Umland und donnerten Kanonen. Die Fest- Wiese, die vor dem Sendlinger Tor "seitwärts der Straße, die nach Italien führt", lag, wurde fortan Theresienwiese genannt. 1825 übernahmen Ludwig und Therese die Regentschaft des Königreiches.
Daß Ludwig 1848 zurücktreten mußte, lag sicher zuallerletzt an seiner Ehefrau. Denn die Zugereiste zeigte sich von Anfang an volksnah, weltoffen, tolerant und bisweilen auch innovativ, was ihr nicht nur Freunde einbrachte. Bereits zwei Jahre nach der Hochzeit der protestantischen Prinzessin mit dem katholischen Bayernprinzen wurde in München der Grundstein für die erste lutherische Kirche der Stadt gelegt (Mathäuskirche an der Sonnenstraße, die den protestantischen Schülern des Theresien- Gymnasiums als Gotteshaus diente). Diese Initiative führte schließlich dazu, daß der Papst der Königin eine Grablege im Kloster Scheyern verweigerte. Pflichtbewußt reiste Therese mit ihrem Mann durch das Staatsgebiet. So kutschierten sie über Würzburg bis Aschaffenburg, nach Oggersheim in die Pfalz, nach Augsburg ins Schwäbische. Ihre Königskrone ließ sie trotz des nationalistischen Zeitgeistes in Paris anfertigen. Für die freilich adligen Frauen des Landes stiftete sie den vornehmen Theresien-Orden. Größte politische Klugheit bewies sie bei den Affären ihres Mannes, die diesen um die Krone, aber nicht um den Ehering brachten. Mit seinem "äußerst aktiven erotischen Temperament", so der Ludwig-Biograph H. Gollwitzer, scheiterte der schwärmerische König am Konflikt zwischen katholisch-konservativem Machtanspruch und libertinärer Lebensführung, die er sich als Autokrat leisten zu können glaubte. Tatsächlich aber kompromittierte er nicht nur seine Ehefrau, sondern auch seine Anhängerschaft. Als er 1847, kurz vor der März-Revolution, die Europa erschütterte, seine Geliebte, die Schauspielerin Lola Montez, zur Gräfin machen wollte, um ihr den Theresien-Orden verleihen zu können, brachte er die Institution der Monarchie in größte Gefahr. Die Besonnenheit der Königin, aber auch ein entschiedenes Ultimatum des Sohnes Luitpold verhinderten vorerst das Schlimmste. Die Abdankung des Königs am 19. März 1848 beendete das öffentliche Wirken des Paares ziemlich abrupt.
Am 26. Oktober 1854 starb Therese in München an der Cholera, der bereits über 9000 Bewohner der Stadt erlegen waren. An der Bestattung seiner Frau, zwei Tage später, nahm Ludwig nicht teil, war er doch bereits nach Darmstadt abgereist. Luitpold mag also auch eine gewisse Wiedergutmachung im Sinn gehabt haben, als er das fünfte Münchner Gymnasium nach seiner Mutter benennen ließ. Die Grabrede für die Verstorbene hielt in der Theatinerkirche der Stiftprobst zu St. Kajetan, Ignaz von Döllinger, Abgeordneter der Frankfurter Paulskirche und nachmaliger Wortführer der Altkatholiken gegen das päpstliche Unfehlbarkeitsdogma. Er nannte sie im Hinblick auf ihr Wirken während der Revolutionszeit eine Friedenstaube, lobte ihre unbedingte Wahrheitsliebe sowie ihre feinfühlige Gewissenhaftigkeit und rühmte ihre Güte, die nicht aus ihrer Stellung, sondern aus dem Herzen gekommen sei. Ihr wenig später eröffnetes Testament zeigt sie jedoch auch als eine Frau, die durchaus über weltweise Gelassenheit verfügte: Ihrem Mann hinterließ sie eine kleine Taschenuhr mit der Widmung: "Möge ihr Schlag dem Könige, meinem besten Freund, stets nur heitere und frohe Stunden bezeichnen."
Anregend dargestellt und gewürdigt wird Therese in folgenden Werken:
Elfi M. Haller: Ludwig 1. und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Porträt einer kö niglichen Ehe. In: Festzug zur Feier der Jubelehe des Königs Ludwig und der Königin Therese zu München am 4. Oktober 1835. Bayerische Vereinsbank, München 1983
Martha Schad: Bayerns Königinnen. Verlag Friedrich Pustet. Regensburg 1992
Martha Schad: Bayerns Königshaus. Verlag Friedrich Pustet. Regensburg 1994
von Heribert Hoven