Ruth Melcer, eine der wenigen noch lebenden Holocaust-Überlebenden, besucht regelmäßig Schulen, um ihre Geschichte zu erzählen. Sie wurde 1935 nahe der polnischen Stadt Lodz geboren und war vier Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschierte. Im Alter von neun Jahren wird sie aus dem KZ Auschwitz befreit.
Am 08.11.2024 hat sie anlässlich des Gedenktages an die Pogromnacht vom 09.11.1938 gleich zu vielen Tausenden deutschen Schülerinnen und Schülern gleichzeitig in einem von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten digitalen Zeitzeugengespräch gesprochen und Fragen beantwortet. Auch die drei elften Klassen des Theresien-Gymnasiums München nahmen an diesem besonderen Zeitzeugengespräch teil.
Ruth Melcers Berichte über die Gräueltaten der Nationalsozialisten sind bewegend und eindringlich, denn sie sprechen von unvorstellbarem Leid und menschlicher Grausamkeit. So erschossen die Nazis ihren jüngeren Bruder in einem nahegelegenen Wald, weil er als Kind als nicht arbeitsfähig eingestuft wurde. Sie selbst entging diesem Schicksal nur, weil ihre Mutter sie vier Jahre älter machte, womit sie dann als arbeitsfähig klassifiziert wurde und trotz aller Unmenschlichkeiten das Vernichtungslager Auschwitz überleben konnte. Auch wenn diese Erinnerungen für sie selbst eine große Belastung darstellen und sie bis heute immer wieder in Albträumen heimsuchen, stellt sich Ruth Melcer dieser Aufgabe mit bewundernswerter Stärke.
Ihr Anliegen ist klar: Die junge Generation soll verstehen, wozu Ausgrenzung, Hass und Fanatismus führen können. „Das Erinnern ist schmerzhaft, aber notwendig“, sagt sie. Ihre Erzählungen hinterlassen bei den Zuhörenden eine bleibende Wirkung und rufen zur Wachsamkeit gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung und Antisemitismus auf. Ruth Melcer ist eine Mahnerin unserer Zeit, die mit ihrer Stimme Brücken schlägt zwischen Vergangenheit und Gegenwart – für eine Zukunft, in der solche Verbrechen nie wieder geschehen dürfen.
Florian Worbs